Antike Nazca Skulptur

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Der Nutzen der industriellen Computertomographie zur Untersuchung und Authentifizierung antiker Keramiken

Als Beispiel dient die Untersuchung eines Gefäß aus der peruanischen Nazca-Kultur

Peter Graßmann, Kunsthistoriker, Villingen-Schwenningen / XRAY-LAB

Für Privatsammler wie für Museen gleichermaßen ist die hohe Zahl an Fälschungen antiker Objekte eine große Herausforderung. Gefälscht wird, seit es einen Markt gibt: Bereits Michelangelo konnte die Herstellung eines als antik deklarierten Cupidos nachgewiesen werden. Seit dem 20. Jahrhundert haben sich die Zahl und Qualität von Falsifikationen jedoch erheblich erhöht, und mit dem aufkommenden Internethandel nahm das Problem in den letzten 30 Jahren nochmals eine neue Dimension an. Neben die klassischen Werkzeuge der Kunstgeschichte wie stilistisch-ikonographische Analysen tritt vermehrt auch der Einsatz naturwissenschaftlicher Methoden zur Fälschungserkennung. Im Folgenden soll ein Überblick über Möglichkeiten und Chancen für den Einsatz der industriellen Computertomographie in der Keramikforschung gegeben werden. Als praktisches Anwendungsbeispiel wurde ein Gefäß der peruanischen Nazca-Kultur untersucht.

Fälschungen und Überrestaurierungen

Einer Schätzung des Schweizer Kunsthändlers Christoph Leon zufolge sind bis zu 50% der auf dem Markt befindlichen Antiken gefälscht.[1] Obwohl diese Zahl nicht verifiziert werden kann, muss davon ausgegangen werden, dass der Anteil an falschen Stücken enorm ist und nicht nur sämtliche Bereiche des Kunsthandels betrifft, sondern auch museale Sammlungen. Das machen nicht zuletzt spektakuläre und weitpublizierte Fälle der Vergangenheit deutlich.[2] Zwar sind Komplettfälschungen am häufigsten, auch unter Keramiken, doch existiert daneben eine große Zahl weiterer problematischer Fälle, die sich zum Teil im Graubereich zwischen Original und Plagiat bewegen. Dies trifft vor allem auf Objekte mit umfangreichen Restaurierungen/Ergänzungen zu, denen nicht in allen Fällen eine Fälschungsabsicht zugrunde liegt, sondern die manchmal auch Produkt unsachgemäßer oder historischer (und damit oft „ergänzungsfreudigerer“) Restaurierungen sind.

Seit dem 18. und 19. Jahrhundert dienten antike Sammlungsstücke dazu, das Repräsentationsbedürfnis ihrer Besitzer zu befriedigen und deren Bildungsanspruch zu demonstrieren, weshalb die Gefäße möglichst vollständig und unbeschädigt sein mussten. Daran hat sich bis heute nichts grundlegend geändert. Dem standen und stehen oft die realen Erhaltungsbedingungen gegenüber, wobei nicht selten durch umfangreiche Restaurierungen „nachgeholfen“ wurde. In manchen Fällen ist es allein die moderne Füllmasse, die einen Flickenteppich aus unterschiedlichen Originalfragmenten zusammenhält („Pastiche“ oder „Pasticcio“). Obwohl solche Fabrikationen vor allem unter chinesischen und westafrikanischen Antiken ein weitverbreitetes Phänomen sind, sind sie auch in Europa und Südamerika bekannt.[3] Der peruanische Fälscher Zenón Gallegos Ramirez wird etwa mit der Aussage zitiert, dass oft der größte Teil der von ihm „restaurierten“ Gefäße modern gewesen sei.[4]

Die Ergänzungen werden typischerweise aus Gips modelliert, der übermalt und lackiert wird. Gängige Authentifikationsmethoden können dann scheitern: Nach dem Brand aufgebrachte Bemalungen können eigentlich durch ein mit Lösungsmitteln (z.B. Aceton) getränktes Wattestäbchen entfernt werden, doch da der Lack oft gegenüber herkömmlichen Lösungsmitteln resistent ist, ist die Methode hier nicht aussagekräftig.[5] Auch das Ergebnis der eigentlich äußerst zuverlässigen Thermolumineszenzdatierung muss in diesem Fall hinterfragt werden.

Probleme der Thermolumineszenzdatierung

Bei der Thermolumineszenzdatierung wird die in den Quarzbestandteilen des Tons gespeicherte Energie aus natürlichen radioaktiven Zerfallsprozessen gemessen, die beim Erhitzen in Form von Lichtemissionen abgegeben wird. Da die Energie beim Brand „auf Null gesetzt“ wird und anschließend der Prozess der Exposition und Absorption von Neuem beginnt, können anhand der gemessenen Energiemenge unter Berücksichtigung von Umgebungsbedingungen Rückschlüsse auf das Alter der Probe gewonnen werden. Die Methode ist gut erforscht und sehr zuverlässig, da allerdings nur die Probe datiert wird und nicht das gesamte Objekt, besitzt sie wenig Aussagekraft in Hinblick auf Pastichen / Assemblagen aus disparaten Einzelfragmenten. Der Restaurator Mark Rasmussen weist auf weitere potenzielle Probleme hin, u.a. auf die in Einzelfällen dokumentierte Praxis, Objekte aus antikem Material (z.B. Ziegeln) zu skulptieren.[6] Das Labor Oxford Authentications hat interessante Fallbeispiele gesammelt, die deutlich machen, dass eine TL-Datierung im Einzel- und Verdachtsfall durch weitere Untersuchungen ergänzt werden sollte.[7] Dazu gehören beispielsweise chinesische Fälschungen, denen antike Fragmente an der Basis eingesetzt werden, wo typischerweise TL-Proben entnommen werden (da es sich hier oft um die einzige unglasierte Stelle handelt).

CT zur Untersuchung antiker Keramiken

Als nicht-invasive und zerstörungsfreie Methode, den Aufbau einer Keramik zu studieren und somit auch Ergänzungen mit einer nahezu hundertprozentigen Sicherheit zu erkennen, bietet sich die industrielle Computertomographie an.[8] Während medizinische CT-Anlagen für den menschlichen Körper optimiert und daher in ihrer Darstellungsgenauigkeit und Durchdringungsfähigkeit begrenzt sind, lassen sich mittels industriellem CT Inhomogenitäten mit hoher Präzision detektieren, sämtliche Schichten durchdringen und verschiedene Materialien anhand ihrer unterschiedlichen Absorptionswerte zuverlässig unterscheiden. Trotz dieser Vorteile setzt sich der Einsatz von CT nur langsam in der archäologischen, musealen und kunsthistorischen Forschung durch, was unter anderem in der Verfügbarkeit entsprechender Anlagen begründet liegt. Ein wegweisendes Pionierprojekt wurde in den 90er-Jahren im Allard Pierson Museum in Amsterdam durchgeführt, wo der Aufbau von griechischen Vasen mittels CT untersucht wurde.[9] Ein Schwerpunkt lag dabei in der möglichst exakten Darstellung von Gefäßprofilen, wobei im Gegensatz zur herkömmlichen Zeichnung auch die Innenkontur der Gefäßwandung präzise erfasst werden konnte. Ein bemerkenswertes Ergebnis war die Unterscheidung verschiedener Keramikarten anhand ihrer jeweils typischen Grauwerte, die mit der stilistischen Zuordnung zu einzelnen Künstlern korrespondierte.[10]

Seit diesen ersten Experimenten hat sich der Einsatz von CT u.a. zur archäometrischen Erfassung von Gefäßprofilen und Wandstärken vielfach bewährt. Weitere wegweisende Forschungsprojekte fanden in Graz und Wien statt.[11] Nennenswert ist insbesondere die Dokumentation historischer Restaurierungen an zwei griechischen Gefäßen aus dem Universalmuseum Joanneum. Dabei konnte ein Gefäß als Assemblage identifiziert und das Vorgehen des Restaurators rekonstruiert werden: Aus einem größeren Fundus waren Einzelfragmente unterschiedlicher Gefäße ausgewählt worden, die mit einer Ergänzungsmasse zu einer Gesamtform kombiniert wurden. Die unterschiedliche Herkunft der Scherben ließ sich anhand ihrer Wandstärken und Helligkeitsgrade im CT deutlich erkennen.[12] Ein dünnflüssiger Lack hatte zu einer dunklen Oberflächenfärbung und einer optischen Nivellierung von Scherben und Ergänzungsmasse geführt, sodass die Manipulationen von außen schwer zu erkennen waren.[13] An einem weiteren Gefäß konnten u.a. neuzeitliche Übermalungen anhand der höheren Dichte der verwendeten Farbe dokumentiert werden.[14]

Mehrere Arbeiten beschäftigten sich mit der radiographischen Analyse von Fertigungstechniken, wobei unter anderem aufgezeigt werden konnte, dass die Anordnung und Orientierung von Luftblasen Rückschlüsse auf die jeweils angewandte Aufbaumethode (z.B. Herstellung auf der Töpferscheibe, Wulsttechnik etc.) zuließen.[15]

Die nicht-invasive Natur des CT hilft natürlich in besonderer Weise bei Fragestellungen, die ansonsten eine irreversible Beschädigung der Objekte erfordern würden. So wurden an der Hebrew University in Jerusalem Tonbehälter für Keilschrifttafeln mittels medizinischem CT untersucht, die bis dahin nach vorheriger Dokumentation zerbrochen werden mussten, um deren Inhalt zu studieren.[16] Auch zur Beurteilung der Stabilität und des Schadensbildes von Objekten und somit für die konservatorische Arbeit kann CT wichtige Hinweise liefern.[17]

Einschränkungen

Da die TL-Datierung auf der in der Keramik gespeicherten Energie beruht, ist es möglich (und erwartbar), dass eine vorangegangene CT-Untersuchung das Ergebnis verfälscht. Die Einschätzungen über das Ausmaß der Veränderungen gehen weit auseinander und hängen u.a. von der verwendeten Anlage ab.[18] Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine Unterscheidung zwischen antik und modern auch nach Röntgen- und CT-Untersuchungen noch möglich sein sollte, doch sind derartige potenziell irreversible Einflüsse natürlich stets bei der Wahl der Untersuchungsmethode und der Reihenfolge ihrer Anwendung zu berücksichtigen. Da bei allen menschlichen Eingriffen grundsätzlich mit physikalischen Veränderungen am Objekt zu rechnen ist, wenn auch z.T. in nicht messbarem Ausmaß, ist der Begriff „zerstörungsfrei“ für CT-Untersuchungen nicht unumstritten.[19]

Untersuchungsbeispiel: Nazca-Keramik

Als Praxisbeispiel wurde im Frühjahr 2021 durch die XRAY-LAB GmbH ein anthropomorphes Gefäß der frühen Nazca-Kultur aus Peru untersucht (Stilphase 3, ca. 200-300 n. Chr.). Eine vorherige Thermolumineszenzdatierung ermittelte ein Alter von 1200 – 1800 Jahren, was sich mit der stilistischen Einordnung deckt. Ziel der Untersuchung war es, weitere Aussagen über die Struktur des Gefäßkörpers und mögliche moderne Ergänzungen zu gewinnen. Das Material zeigte ein einheitliches, für Kultur und Epoche erwartbares Erscheinungsbild einer einzigen, recht feinen Tonart. Die durchschnittliche Wandstärke betrug ca. 4-5 mm und war am größten am Kopf sowie in der Mitte des Bauches, der Boden war demgegenüber vergleichsweise dünnwandig. Der Ton zeigte zahlreiche kleinere Lufteinschlüsse, die gleichmäßig über den gesamten Körper verteilt waren. Eine einheitliche Ausrichtung ließ sich nicht erkennen, doch deuteten einzelne längliche, horizontale Einschlüsse auf einen Aufbau mittels der Wulsttechnik hin,[20] wie sie für die Nazca-Kultur auch vielfach belegt ist.[21] Die „Ohren“ und die „Nase“ des eine menschliche Figur nachbildenden Gefäßes schienen durch separate Tonstücke geformt und angesetzt worden zu sein, worauf längliche Lufteinschlüsse an den mutmaßlichen Ansatzstellen hinwiesen. Insgesamt ließen sich weder im Gefäßkörper noch an der Oberfläche Inhomogenitäten feststellen, die auf moderne Restaurierungen oder nennenswerte Veränderungen hätten schließen lassen (siehe Abbildungen im Anhang).

Zusammenfassung

Industrielles CT bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der archäologischen und kunsthistorischen Forschung, für die Restaurierung sowie zur Authentifizierung von antiken Gegenständen. Im vorliegenden Untersuchungsbeispiel eines antiken Nazca-Gefäßes konnte durch die kombinierte Aussagekraft von Provenienzforschung, ikonographisch-stilkundlicher Analyse, Thermolumineszenzdatierung und CT eine Fälschung weitgehend ausgeschlossen werden. Ein solches mehrstufiges Vorgehen ist zur Risikominimierung im Umgang mit Antiken, deren Provenienz nicht lückenlos nachvollzogen werden kann, grundsätzlich empfehlenswert. Obwohl der Einsatz von CT effizient, nicht-invasiv und im Grunde zerstörungsfrei ist, sollte er im Einzelfall sorgsam abgewägt werden, sowohl was das Kosten-Nutzen-Verhältnis als auch den möglichen Einfluss der energieintensiven Strahlung auf das Ergebnis der Thermolumineszenzdatierung betrifft. Es wird empfohlen, Letztere ggfs. im Vorfeld durchzuführen.

Verweise

[1] Vgl.: https://www.dw.com/de/der-spanische-meister-das-schmutzige-gesch%C3%A4ft-mit-gef%C3%A4lschten-antiken/a-18993860, abgerufen am 30.5.2021.

[2] Als spektakulärster Fall gilt das Goldmuseum in Lima, von dem im Jahr 2001 bekannt wurde, dass 85% der ausgestellten Exponate gefälscht waren. Vgl.: https://www.forbes.com/2002/01/09/0109connguide.html?sh=59487c5a285f, abgerufen am 30.5.2021.

[3] Bruhns/Kelker weisen auf ein Moche-Porträtgefäß aus der Arthur M. Sackler-Sammlung hin, das sich als Kombination aus einer authentischen Basis und umfangreichen modernen Ergänzungen entpuppte, vgl. Bruhns/Kelker, S. 21. Sawyer beschäftigte sich mit Beispielen der Nazca-Kultur, darunter einer aus Fragmenten von zwei verschiedenen Gefäßen zusammengesetzten Neuschöpfung, vgl. Sawyer S. 21.
[4] Vgl. Bruhns/Kelker, S. 21.
[5] Vgl. ebd.
[6] Vgl. Rasmussen/Amble, S. 54f, abgerufen am 30.5.2021.
[7] Vgl. https://www.oxfordauthentication.com/case-studies/, abgerufen am 30.5.2021.
[8] Bruhns/Kelker weisen unter Bezug auf Mark Rasmussen auf die Bedeutung von CT und Röntgen in Ergänzung zur TL-Datierung hin, vgl. Bruhns/Kelker, S. 31.
[9] Vgl. Karl/Rosc, S. 74f.
[10] Vgl. Ebd., S. 76.
[11] Vgl. Ebd., S. 77.
[12] Vgl. Fürhacker/Karl, S. 137 ff.
[13] Vgl. ebd., S. 140.
[14] Vgl. ebd., S. 153.
[15] Für eine Übersicht über den Forschungsstand siehe: St. John, S. 54ff, abgerufen am 30.5.2021.
[16] Vgl. Applbaum, S. 231-245.
[17] Vgl. McKenzie-Klar/Magnussen, S. 208-221.
[18] Vgl. Karl/Rosc, S. 88ff.
[19] Vgl. ebd., S. 90.
[20] Für ein sehr ähnliches Erscheinungsbild vgl.: Takenouchi/Yamahana, S. 9.
[21] Vgl. Carmichael, S. 31-48.

Literatur

Applbaum, Nachum: The Use of Medical Computed Tomography (CT) Imaging in the Study of Ceramic and Clay Archaeological Artifacts from the Ancient Near East, in: Uda, M. et al. (Hg.): X-rays for Archaeology, Dordrecht 2005.

Carmichael, Patrick: Nasca Pottery Construction, in: Ñawpa Pacha. Journal of Andean Archaeology, Nr. 24, London 1986.

Fürhacker, Robert; Karl, Stephan: Die Dokumentation historischer Restaurierungen antiker Keramik am Beispiel zweier Gefäße aus dem Universalmuseum Joanneum unter besonderer Berücksichtigung der industriellen Computertomografie, in: Trinkl, Elisabeth (Hg.): Corpus Vasorum Antiquorum Österreich, Beiheft 1, Wien 2013.

Karl, Stephan; Rosc, Joerdis: Berührungsfreie und nicht invasive Untersuchung antiker Keramik mittels industrieller Röntgen-Computertomografie, in: Trinkl, Elisabeth (Hg.): Corpus Vasorum Antiquorum, Österreich, Beiheft 1, Wien 2013.

McKenzie-Klar, Jaye; Magnussen, John: Real and virtual: The role of computed tomography and 3D imaging in museum practice, in: A Cultural Cocphony. Museum Perspectives and Projects.

Rasmussen, Mark; Amble, Thomas: Scientific Techniques in the Authentication Process, http://www.rare-collections.com/PrehistoricAmerican2006-4.pdf

Sawyer, Allen: The Falsification of Ancient Peruvian Slip-decorated Ceramics, in: Falsifications and Misreconstruction of Pre-Columbian Art, Washington 1982.

St. John, Amy: Inside Perspectives on Ceramic Manufacturing. Visualizing Ancient Potting Practices through Micro-CT Scanning, Electronic Thesis and Dissertation Repository, 7502, https://ir.lib.uwo.ca/etd/7502

Takenouchi, Keita; Yamahana, Kyoko: Fine pottery shaping techniques in Predynastic Egypt: A pilot study on non-destructive analysis using an X-Ray CT scanning system, in: Journal of Archaeological Science, Reports 37, 2021.

Antike Nazca Skulptur

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Der Nutzen der industriellen Computertomographie zur Untersuchung und Authentifizierung antiker Keramiken

Als Beispiel dient die Untersuchung eines Gefäß aus der peruanischen Nazca-Kultur

Peter Graßmann, Kunsthistoriker, Villingen-Schwenningen / XRAY-LAB

Für Privatsammler wie für Museen gleichermaßen ist die hohe Zahl an Fälschungen antiker Objekte eine große Herausforderung. Gefälscht wird, seit es einen Markt gibt: Bereits Michelangelo konnte die Herstellung eines als antik deklarierten Cupidos nachgewiesen werden. Seit dem 20. Jahrhundert haben sich die Zahl und Qualität von Falsifikationen jedoch erheblich erhöht, und mit dem aufkommenden Internethandel nahm das Problem in den letzten 30 Jahren nochmals eine neue Dimension an. Neben die klassischen Werkzeuge der Kunstgeschichte wie stilistisch-ikonographische Analysen tritt vermehrt auch der Einsatz naturwissenschaftlicher Methoden zur Fälschungserkennung. Im Folgenden soll ein Überblick über Möglichkeiten und Chancen für den Einsatz der industriellen Computertomographie in der Keramikforschung gegeben werden. Als praktisches Anwendungsbeispiel wurde ein Gefäß der peruanischen Nazca-Kultur untersucht.

Fälschungen und Überrestaurierungen

Einer Schätzung des Schweizer Kunsthändlers Christoph Leon zufolge sind bis zu 50% der auf dem Markt befindlichen Antiken gefälscht.[1] Obwohl diese Zahl nicht verifiziert werden kann, muss davon ausgegangen werden, dass der Anteil an falschen Stücken enorm ist und nicht nur sämtliche Bereiche des Kunsthandels betrifft, sondern auch museale Sammlungen. Das machen nicht zuletzt spektakuläre und weitpublizierte Fälle der Vergangenheit deutlich.[2] Zwar sind Komplettfälschungen am häufigsten, auch unter Keramiken, doch existiert daneben eine große Zahl weiterer problematischer Fälle, die sich zum Teil im Graubereich zwischen Original und Plagiat bewegen. Dies trifft vor allem auf Objekte mit umfangreichen Restaurierungen/Ergänzungen zu, denen nicht in allen Fällen eine Fälschungsabsicht zugrunde liegt, sondern die manchmal auch Produkt unsachgemäßer oder historischer (und damit oft „ergänzungsfreudigerer“) Restaurierungen sind.

Seit dem 18. und 19. Jahrhundert dienten antike Sammlungsstücke dazu, das Repräsentationsbedürfnis ihrer Besitzer zu befriedigen und deren Bildungsanspruch zu demonstrieren, weshalb die Gefäße möglichst vollständig und unbeschädigt sein mussten. Daran hat sich bis heute nichts grundlegend geändert. Dem standen und stehen oft die realen Erhaltungsbedingungen gegenüber, wobei nicht selten durch umfangreiche Restaurierungen „nachgeholfen“ wurde. In manchen Fällen ist es allein die moderne Füllmasse, die einen Flickenteppich aus unterschiedlichen Originalfragmenten zusammenhält („Pastiche“ oder „Pasticcio“). Obwohl solche Fabrikationen vor allem unter chinesischen und westafrikanischen Antiken ein weitverbreitetes Phänomen sind, sind sie auch in Europa und Südamerika bekannt.[3] Der peruanische Fälscher Zenón Gallegos Ramirez wird etwa mit der Aussage zitiert, dass oft der größte Teil der von ihm „restaurierten“ Gefäße modern gewesen sei.[4]

Die Ergänzungen werden typischerweise aus Gips modelliert, der übermalt und lackiert wird. Gängige Authentifikationsmethoden können dann scheitern: Nach dem Brand aufgebrachte Bemalungen können eigentlich durch ein mit Lösungsmitteln (z.B. Aceton) getränktes Wattestäbchen entfernt werden, doch da der Lack oft gegenüber herkömmlichen Lösungsmitteln resistent ist, ist die Methode hier nicht aussagekräftig.[5] Auch das Ergebnis der eigentlich äußerst zuverlässigen Thermolumineszenzdatierung muss in diesem Fall hinterfragt werden.

Probleme der Thermolumineszenzdatierung

Bei der Thermolumineszenzdatierung wird die in den Quarzbestandteilen des Tons gespeicherte Energie aus natürlichen radioaktiven Zerfallsprozessen gemessen, die beim Erhitzen in Form von Lichtemissionen abgegeben wird. Da die Energie beim Brand „auf Null gesetzt“ wird und anschließend der Prozess der Exposition und Absorption von Neuem beginnt, können anhand der gemessenen Energiemenge unter Berücksichtigung von Umgebungsbedingungen Rückschlüsse auf das Alter der Probe gewonnen werden. Die Methode ist gut erforscht und sehr zuverlässig, da allerdings nur die Probe datiert wird und nicht das gesamte Objekt, besitzt sie wenig Aussagekraft in Hinblick auf Pastichen / Assemblagen aus disparaten Einzelfragmenten. Der Restaurator Mark Rasmussen weist auf weitere potenzielle Probleme hin, u.a. auf die in Einzelfällen dokumentierte Praxis, Objekte aus antikem Material (z.B. Ziegeln) zu skulptieren.[6] Das Labor Oxford Authentications hat interessante Fallbeispiele gesammelt, die deutlich machen, dass eine TL-Datierung im Einzel- und Verdachtsfall durch weitere Untersuchungen ergänzt werden sollte.[7] Dazu gehören beispielsweise chinesische Fälschungen, denen antike Fragmente an der Basis eingesetzt werden, wo typischerweise TL-Proben entnommen werden (da es sich hier oft um die einzige unglasierte Stelle handelt).

CT zur Untersuchung antiker Keramiken

Als nicht-invasive und zerstörungsfreie Methode, den Aufbau einer Keramik zu studieren und somit auch Ergänzungen mit einer nahezu hundertprozentigen Sicherheit zu erkennen, bietet sich die industrielle Computertomographie an.[8] Während medizinische CT-Anlagen für den menschlichen Körper optimiert und daher in ihrer Darstellungsgenauigkeit und Durchdringungsfähigkeit begrenzt sind, lassen sich mittels industriellem CT Inhomogenitäten mit hoher Präzision detektieren, sämtliche Schichten durchdringen und verschiedene Materialien anhand ihrer unterschiedlichen Absorptionswerte zuverlässig unterscheiden. Trotz dieser Vorteile setzt sich der Einsatz von CT nur langsam in der archäologischen, musealen und kunsthistorischen Forschung durch, was unter anderem in der Verfügbarkeit entsprechender Anlagen begründet liegt. Ein wegweisendes Pionierprojekt wurde in den 90er-Jahren im Allard Pierson Museum in Amsterdam durchgeführt, wo der Aufbau von griechischen Vasen mittels CT untersucht wurde.[9] Ein Schwerpunkt lag dabei in der möglichst exakten Darstellung von Gefäßprofilen, wobei im Gegensatz zur herkömmlichen Zeichnung auch die Innenkontur der Gefäßwandung präzise erfasst werden konnte. Ein bemerkenswertes Ergebnis war die Unterscheidung verschiedener Keramikarten anhand ihrer jeweils typischen Grauwerte, die mit der stilistischen Zuordnung zu einzelnen Künstlern korrespondierte.[10]

Seit diesen ersten Experimenten hat sich der Einsatz von CT u.a. zur archäometrischen Erfassung von Gefäßprofilen und Wandstärken vielfach bewährt. Weitere wegweisende Forschungsprojekte fanden in Graz und Wien statt.[11] Nennenswert ist insbesondere die Dokumentation historischer Restaurierungen an zwei griechischen Gefäßen aus dem Universalmuseum Joanneum. Dabei konnte ein Gefäß als Assemblage identifiziert und das Vorgehen des Restaurators rekonstruiert werden: Aus einem größeren Fundus waren Einzelfragmente unterschiedlicher Gefäße ausgewählt worden, die mit einer Ergänzungsmasse zu einer Gesamtform kombiniert wurden. Die unterschiedliche Herkunft der Scherben ließ sich anhand ihrer Wandstärken und Helligkeitsgrade im CT deutlich erkennen.[12] Ein dünnflüssiger Lack hatte zu einer dunklen Oberflächenfärbung und einer optischen Nivellierung von Scherben und Ergänzungsmasse geführt, sodass die Manipulationen von außen schwer zu erkennen waren.[13] An einem weiteren Gefäß konnten u.a. neuzeitliche Übermalungen anhand der höheren Dichte der verwendeten Farbe dokumentiert werden.[14]

Mehrere Arbeiten beschäftigten sich mit der radiographischen Analyse von Fertigungstechniken, wobei unter anderem aufgezeigt werden konnte, dass die Anordnung und Orientierung von Luftblasen Rückschlüsse auf die jeweils angewandte Aufbaumethode (z.B. Herstellung auf der Töpferscheibe, Wulsttechnik etc.) zuließen.[15]

Die nicht-invasive Natur des CT hilft natürlich in besonderer Weise bei Fragestellungen, die ansonsten eine irreversible Beschädigung der Objekte erfordern würden. So wurden an der Hebrew University in Jerusalem Tonbehälter für Keilschrifttafeln mittels medizinischem CT untersucht, die bis dahin nach vorheriger Dokumentation zerbrochen werden mussten, um deren Inhalt zu studieren.[16] Auch zur Beurteilung der Stabilität und des Schadensbildes von Objekten und somit für die konservatorische Arbeit kann CT wichtige Hinweise liefern.[17]

Einschränkungen

Da die TL-Datierung auf der in der Keramik gespeicherten Energie beruht, ist es möglich (und erwartbar), dass eine vorangegangene CT-Untersuchung das Ergebnis verfälscht. Die Einschätzungen über das Ausmaß der Veränderungen gehen weit auseinander und hängen u.a. von der verwendeten Anlage ab.[18] Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine Unterscheidung zwischen antik und modern auch nach Röntgen- und CT-Untersuchungen noch möglich sein sollte, doch sind derartige potenziell irreversible Einflüsse natürlich stets bei der Wahl der Untersuchungsmethode und der Reihenfolge ihrer Anwendung zu berücksichtigen. Da bei allen menschlichen Eingriffen grundsätzlich mit physikalischen Veränderungen am Objekt zu rechnen ist, wenn auch z.T. in nicht messbarem Ausmaß, ist der Begriff „zerstörungsfrei“ für CT-Untersuchungen nicht unumstritten.[19]

Untersuchungsbeispiel: Nazca-Keramik

Als Praxisbeispiel wurde im Frühjahr 2021 durch die XRAY-LAB GmbH ein anthropomorphes Gefäß der frühen Nazca-Kultur aus Peru untersucht (Stilphase 3, ca. 200-300 n. Chr.). Eine vorherige Thermolumineszenzdatierung ermittelte ein Alter von 1200 – 1800 Jahren, was sich mit der stilistischen Einordnung deckt. Ziel der Untersuchung war es, weitere Aussagen über die Struktur des Gefäßkörpers und mögliche moderne Ergänzungen zu gewinnen. Das Material zeigte ein einheitliches, für Kultur und Epoche erwartbares Erscheinungsbild einer einzigen, recht feinen Tonart. Die durchschnittliche Wandstärke betrug ca. 4-5 mm und war am größten am Kopf sowie in der Mitte des Bauches, der Boden war demgegenüber vergleichsweise dünnwandig. Der Ton zeigte zahlreiche kleinere Lufteinschlüsse, die gleichmäßig über den gesamten Körper verteilt waren. Eine einheitliche Ausrichtung ließ sich nicht erkennen, doch deuteten einzelne längliche, horizontale Einschlüsse auf einen Aufbau mittels der Wulsttechnik hin,[20] wie sie für die Nazca-Kultur auch vielfach belegt ist.[21] Die „Ohren“ und die „Nase“ des eine menschliche Figur nachbildenden Gefäßes schienen durch separate Tonstücke geformt und angesetzt worden zu sein, worauf längliche Lufteinschlüsse an den mutmaßlichen Ansatzstellen hinwiesen. Insgesamt ließen sich weder im Gefäßkörper noch an der Oberfläche Inhomogenitäten feststellen, die auf moderne Restaurierungen oder nennenswerte Veränderungen hätten schließen lassen (siehe Abbildungen im Anhang).

Zusammenfassung

Industrielles CT bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der archäologischen und kunsthistorischen Forschung, für die Restaurierung sowie zur Authentifizierung von antiken Gegenständen. Im vorliegenden Untersuchungsbeispiel eines antiken Nazca-Gefäßes konnte durch die kombinierte Aussagekraft von Provenienzforschung, ikonographisch-stilkundlicher Analyse, Thermolumineszenzdatierung und CT eine Fälschung weitgehend ausgeschlossen werden. Ein solches mehrstufiges Vorgehen ist zur Risikominimierung im Umgang mit Antiken, deren Provenienz nicht lückenlos nachvollzogen werden kann, grundsätzlich empfehlenswert. Obwohl der Einsatz von CT effizient, nicht-invasiv und im Grunde zerstörungsfrei ist, sollte er im Einzelfall sorgsam abgewägt werden, sowohl was das Kosten-Nutzen-Verhältnis als auch den möglichen Einfluss der energieintensiven Strahlung auf das Ergebnis der Thermolumineszenzdatierung betrifft. Es wird empfohlen, Letztere ggfs. im Vorfeld durchzuführen.

Verweise

[1] Vgl.: https://www.dw.com/de/der-spanische-meister-das-schmutzige-gesch%C3%A4ft-mit-gef%C3%A4lschten-antiken/a-18993860, abgerufen am 30.5.2021.

[2] Als spektakulärster Fall gilt das Goldmuseum in Lima, von dem im Jahr 2001 bekannt wurde, dass 85% der ausgestellten Exponate gefälscht waren. Vgl.: https://www.forbes.com/2002/01/09/0109connguide.html?sh=59487c5a285f, abgerufen am 30.5.2021.

[3] Bruhns/Kelker weisen auf ein Moche-Porträtgefäß aus der Arthur M. Sackler-Sammlung hin, das sich als Kombination aus einer authentischen Basis und umfangreichen modernen Ergänzungen entpuppte, vgl. Bruhns/Kelker, S. 21. Sawyer beschäftigte sich mit Beispielen der Nazca-Kultur, darunter einer aus Fragmenten von zwei verschiedenen Gefäßen zusammengesetzten Neuschöpfung, vgl. Sawyer S. 21.
[4] Vgl. Bruhns/Kelker, S. 21.
[5] Vgl. ebd.
[6] Vgl. Rasmussen/Amble, S. 54f, abgerufen am 30.5.2021.
[7] Vgl. https://www.oxfordauthentication.com/case-studies/, abgerufen am 30.5.2021.
[8] Bruhns/Kelker weisen unter Bezug auf Mark Rasmussen auf die Bedeutung von CT und Röntgen in Ergänzung zur TL-Datierung hin, vgl. Bruhns/Kelker, S. 31.
[9] Vgl. Karl/Rosc, S. 74f.
[10] Vgl. Ebd., S. 76.
[11] Vgl. Ebd., S. 77.
[12] Vgl. Fürhacker/Karl, S. 137 ff.
[13] Vgl. ebd., S. 140.
[14] Vgl. ebd., S. 153.
[15] Für eine Übersicht über den Forschungsstand siehe: St. John, S. 54ff, abgerufen am 30.5.2021.
[16] Vgl. Applbaum, S. 231-245.
[17] Vgl. McKenzie-Klar/Magnussen, S. 208-221.
[18] Vgl. Karl/Rosc, S. 88ff.
[19] Vgl. ebd., S. 90.
[20] Für ein sehr ähnliches Erscheinungsbild vgl.: Takenouchi/Yamahana, S. 9.
[21] Vgl. Carmichael, S. 31-48.

Literatur

Applbaum, Nachum: The Use of Medical Computed Tomography (CT) Imaging in the Study of Ceramic and Clay Archaeological Artifacts from the Ancient Near East, in: Uda, M. et al. (Hg.): X-rays for Archaeology, Dordrecht 2005.

Carmichael, Patrick: Nasca Pottery Construction, in: Ñawpa Pacha. Journal of Andean Archaeology, Nr. 24, London 1986.

Fürhacker, Robert; Karl, Stephan: Die Dokumentation historischer Restaurierungen antiker Keramik am Beispiel zweier Gefäße aus dem Universalmuseum Joanneum unter besonderer Berücksichtigung der industriellen Computertomografie, in: Trinkl, Elisabeth (Hg.): Corpus Vasorum Antiquorum Österreich, Beiheft 1, Wien 2013.

Karl, Stephan; Rosc, Joerdis: Berührungsfreie und nicht invasive Untersuchung antiker Keramik mittels industrieller Röntgen-Computertomografie, in: Trinkl, Elisabeth (Hg.): Corpus Vasorum Antiquorum, Österreich, Beiheft 1, Wien 2013.

McKenzie-Klar, Jaye; Magnussen, John: Real and virtual: The role of computed tomography and 3D imaging in museum practice, in: A Cultural Cocphony. Museum Perspectives and Projects.

Rasmussen, Mark; Amble, Thomas: Scientific Techniques in the Authentication Process, http://www.rare-collections.com/PrehistoricAmerican2006-4.pdf

Sawyer, Allen: The Falsification of Ancient Peruvian Slip-decorated Ceramics, in: Falsifications and Misreconstruction of Pre-Columbian Art, Washington 1982.

St. John, Amy: Inside Perspectives on Ceramic Manufacturing. Visualizing Ancient Potting Practices through Micro-CT Scanning, Electronic Thesis and Dissertation Repository, 7502, https://ir.lib.uwo.ca/etd/7502

Takenouchi, Keita; Yamahana, Kyoko: Fine pottery shaping techniques in Predynastic Egypt: A pilot study on non-destructive analysis using an X-Ray CT scanning system, in: Journal of Archaeological Science, Reports 37, 2021.

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